Woran Sie erkennen, ob Ihr Kind vielleicht eine LRS hat? – Symptome einer LRS
Kinder zeigen oftmals schon lange Zeit vor einer Diagnose Symptome einer LRS. Dieser Beitrag beschäftigt sich daher mit den frühen und späteren Anzeichen. Er soll dazu dienen, Ihnen einige Hinweise mit auf den Weg zu geben, worauf Sie achten können, wenn Sie den Verdacht einer LRS haben.
Der Blogbeitrag zu den Ursachen erklärt, dass Kinder mit einer LRS u. a. Auffälligkeiten bei der Wahrnehmung und Verarbeitung auditiver und/oder visueller Informationen zeigen. Dementsprechend zeigen sich auch Symptome einer LRS genau in diesen Bereichen. Dabei können bei Vorschulkindern andere Auffälligkeiten beobachtet werden als bei Grundschulkindern, die bereits mit dem Lesen- und Schreibenlernen begonnen haben.
Wichtig ist dabei: Jedes Kind ist individuell, das gilt für Kinder mit einer LRS ebenso wie für jedes andere Kind auch. Das heißt, nicht alle der im Folgenden beschriebenen Symptome müssen auf Ihr Kind zutreffen. Auch gibt es oftmals andere Gründe als eine LRS, die ein Kind auch mal unkonzentriert sein lassen oder dazu führen, dass Wörter falsch geschrieben werden. Wenn mehrere Symptome auf Ihr Kind zuttreffen, ist das ein erster Hinweis auf eine LRS. Klarheit schaffen kann letztlich nur ein LRS-Test.
Symptome einer LRS im Vorschulalter
Sie können Auffälligkeiten in der phonologischen Informationsverarbeitung Ihres Kindes beobachten. Diese umfasst u. a. die Bereiche der phonologischen Bewusstheit, das Kurz- sowie das Langzeitgedächtnis.
Vorstufen der phonologische Bewusstheit – Reimen, Silbenklatschen, Singen
Bereits im Kindergarten kann auffallen, dass die Kinder mit Veranlagung für eine LRS nicht gerne reimen, Schwierigkeiten haben, Silben zu klatschen (wie bei To-ma-te) oder sich bei Sing- und Klatschspielen schwerer tun und zurückziehen. All diese Fähigkeiten hängen mit frühen Formen der phonologischen Bewusstheit zusammen. Die Forschung ist sich einig, dass diese einen reibungslosen Schriftspracherwerb ermöglicht.
Das Kurzzeitgedächtnis
Manche Kinder haben auch größere Schwierigkeiten mit ihrem Kurzzeitgedächtnis. Das äußert sich dann z. B. darin, dass soeben Angesprochenes gleich wieder vergessen wird. Sie sagen ihrem Kind „Bringe bitte dein Glas aus dem Kinderzimmer mit und räume vorher die Stiefel in den Flur“ und Ihr Kind kommt mit leeren Händen zurück und muss zweimal nachfragen, was genau es tun sollte. Damit diese „Vergesslichkeit“ tatsächlich als ein Indiz für eine LRS gedeutet werden kann, ist es wichtig, zu unterscheiden, ob das Kind mit anderem beschäftigt ist, während Sie ihm etwas sagen, oder ob es dabei konzentriert zuhört und dennoch das Gesagte gleich wieder vergisst.
Das Langzeitgedächtnis
Ein weiteres Merkmal kann sein, wenn Ihr Kind lange braucht, um sich an bestimmte Wörter, Namen oder Bezeichnungen zu erinnern, auch wenn diese im täglichen Sprachgebrauch vorkommen, wie z. B. die Farbe seines Fahrrads oder der Name der Klassenlehrerin. Das deutet darauf hin, dass der Schnellabruf im Langzeitgedächtnis nicht reibungslos funktioniert. Das Kind muss erst Nachdenken bevor es das gespeicherte Wort abrufen kann. Für gewöhnlich funktioniert dieses Abrufen automatisiert.
Die Sprachentwicklung und die Aussprache
Auch im Bereich der Sprachentwicklung können erste Anzeichen einer LRS auffallen. Gerade für diese gibt es aber auch eine Reihe anderer möglicher Ursachen, sodass sich bei anhaltenden Schwierigkeiten die Abklärung durch den Kinderarzt empfiehlt.
Zu einigen der Auffälligkeiten können zählen: spätes Sprechenlernen im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern, lange Zeit nur der Gebrauch von Zweiwortsätzen, ein geringer Wortschatz und/oder ein anhaltender Stillstand in der Sprachentwicklung.
Neu gelernte Begriffe werden lange Zeit fehlerhaft ausgesprochen, einzelne Buchstaben verdreht oder ähnlich klingende Laute verwechselt. Dieses Verhalten kann auf zwei Ursachen zurückzuführen sein. Kinder mit einer LRS hören oftmals gesprochene Laute unvollständiger. Das hängt mit Verarbeitungsprozessen im Gehirn zusammen. Was nicht richtig gehört wird, kann in der Folge auch nicht richtig ausgesprochen werden.
Oder das Kind leidet an einem Artikulationsproblem. In diesem Fall ist die Unterstützung einer sprachtherapeutischen Praxis angezeigt.
Der „Cocktail-Party-Effekt“ oder Hören ist nicht gleich Hören
Dieser Bereich gilt sowohl für Kindergarten- als auch für Schulkinder. Wie wir ja schon erfahren haben, können Kinder mit einer LRS Schwierigkeiten dabei haben, das Gehörte in die richtigen Laute, Silben und Wörter zu „übersetzen“. Ihr Gehirn kann z. B. Lautinformationen nicht ausreichend differenzieren (auditive Differenzierungsschwäche). Andere Kinder können Schwierigkeiten damit haben, Nebengeräusche auszublenden (auditive Figur-Grund-Differenzierung). So, als würden alle Umgebungsgeräusche gleichermaßen wahrgenommen, die Stimmer der Lehrerin ebenso wie die der Mitschüler, der vorbeifahrende Zug ebenso wie die Pausenglocke. Sich bei all diesen Geräuschinformationen auf die wesentliche Information, z. B. die Anweisungen der Lehrerin, zu konzentrieren, fällt Kindern mit Schwierigkeiten bei der auditiven Figur-Grund-Differenzierung extrem schwer. Und erfordert von unserem LRS-Kind deutlich mehr Aufmerksamkeit, die an anderer Stelle dann ggf. wieder fehlt.
Bewegung und motorische Fähigkeiten
Nicht ganz so aussagekräftig sind die motorischen Fertigkeiten eines Kindes. Aber auch in diesem Bereich können erste Anzeichen gefunden werden. Hier gilt ebenso: Ursachen für motorische Auffälligkeiten gibt es viele. Mögliche Zusammenhänge können sich zeigen, wenn Ihr Kind generell sehr unruhig ist und/oder seine Bewegungsabläufe ungeschickt sind. Es hatte Schwierigkeiten beim Laufenlernen und tut sich mit Gleichgewichtsübungen wie Balancieren sehr schwer. Tätigkeiten, für die feinmotorische Fähigkeiten benötigt werden, wie z. B. das Binden einer Schleife oder die Stifthaltung, werden nur mit großen Mühen erlernt.
Beobachtungen in diesem Bereich können zusätzliche Hinweise liefern.
Symptome einer LRS im Grundschulalter
Bei Schulkindern zeigen sich Symptome in drei Bereichen. Dem Lesenlernen, dem Schreibenlernen und auf der Verhaltensebene. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass immer die Klassenstufe des Kindes im Blick behalten werden muss: So ist beispielsweise das Verwechseln von Buchstaben in der 1. Klasse völlig normal, in der 3. Klasse jedoch Besorgnis erregend.
Lesen
Beim Lesenlernen kann in den ersten Schuljahren u. a. Folgendes beobachtet werden: Das Lesetempo ist im Vergleich zu den anderen Kindern deutlich verlangsamt; die Wörter werden z. T. eher erraten und durch ähnliche ersetzt. Dabei wird der Inhalt des Textes kaum verstanden und kann nur unzureichend wiedergegeben werden. Ab Klasse 3 zeigen sich auch Leistungseinbußen in Fächern, deren Wissensgrundlage stark auf gelesenen Inhalten aufbauen, z. B. Sachkunde oder bei Textaufgaben in Mathematik.
Schreiben
Bei der Rechtschreibung fallen die Schwierigkeiten noch deutlicher ins Auge.
Die Kinder zeigen ganz grundsätzlich Schwierigkeiten dabei, Wörter zu verschriftlichen. Sie verwechseln Phoneme (Laute) und Grapheme (Schriftzeichen), wie z.B. dungel statt dunkel, Bause statt Pause. In einigen Fällen tritt das erst bei ungeübten Texten auf, je nachdem wie gut die Gedächtnisleistungen der Kinder sind und wie gut sie auswendig lernen können. Auch beim Abschreiben von Texten, z. B. von der Tafel, treten Fehler auf. Die Handschrift ist oft unleserlich.
Oftmals werden Buchstaben ausgelassen (gben statt geben) oder vertauscht (kiene statt keine). Manchmal finden sich auch nur noch Wortruinen wie Imnof für Blumentopf.
All das sind Fehler, die kaum Sorgen bereiten, wenn sie im Anfangsunterricht auftreten. Ziehen sich diese Fehler aber durch und wird vor allen Dingen deutlich, dass die Kinder offenbar Schwierigkeiten damit haben, Laute richtig zu hören und dann in Schrift umzuwandeln (Fehlerschwerpunkt im Phonembereich), sollten Sie genauer hinschauen.
Verhaltensebene
Kinder mit einer LRS fühlen sich häufig von den (schulischen) Anforderungen, die an sie gestellt werden, überfordert. Manche Kinder reagieren darauf mit Schulunlust bis hin zur Verweigerung, insbesondere auch der Hausaufgaben, Herumkaspern im Unterricht, Ängsten, Traurigkeit und Rückzug. Diese psychischen Ausdrucksweisen können ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass Ihr Kind aufgrund einer LRS unter Überforderung und großer Unsicherheit leidet. Natürlich gibt es eine ganze Reihe anderer Ursachen, die Kinder dazu veranlassen, Symptome auf der Verhaltensebene zu entwickeln. Wenn Sie bei Ihrem Kind Verhaltensauffälligkeiten beobachten, sprechen Sie mit der Lehrkraft Ihres Kindes oder suchen Sie Rat bei einer Beratungsstelle.
Sie haben nun eine Reihe an Hinweisen an die Hand bekommen, mit deren Hilfe Sie das Verhalten Ihres Kindes besser einschätzen können. Wenn Sie in einigen der beschriebenen Auffälligkeiten Ihr Kind wiederfinden, sollten Sie sich nicht scheuen, baldmöglichst eine fundierte Diagnostik durchführen zu lassen bzw. zu veranlassen. Wenn Sie wissen, worauf die Schwierigkeiten Ihres Kindes zurückzuführen sind, können Sie die richtigen Maßnahmen ergreifen, um ihm die Hilfe zu ermöglichen, die es benötigt.
Für heute grüßt herzlich
Ihr I.D.L.-Team
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