Lese-Rechtschreibschwäche und der Erwerb einer Fremdsprache

 

1. LRS und Englisch lernen – Wie geht das zusammen?

Mittlerweile ist auch wissenschaftlich belegt, was viele Eltern aus eigener Erfahrung berichten können: Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer Lese-Rechtschreibschwäche in der Muttersprache und Schwierigkeiten beim Erwerb einer Fremdsprache, wie z. B. Englisch (u.a. nach Sparks und Ganschow 1991, Romonath und Gregg 2003).

Kinder mit einer LRS zeigen mehr oder weniger ausgeprägt
– Defizite im (sprachlichen) Kurzzeitspeicher,
– Schwierigkeiten bei der lautlichen Durchgliederung von Wörtern,
– Schwierigkeiten bei der Laut-Buchstaben-Zuordnung und
– Schwierigkeiten, in einem angemessenen Tempo auf im Gedächtnis Gespeichertes zugreifen zu können.

Auch werden bei Kindern, bei denen eine LRS diagnostiziert wurde, Lese- und Schreibprozesse nur unzureichend automatisiert und der Aufbau des Wortschatzes ist erschwert.

Was bedeutet das nun für den Fremdsprachenunterricht in der Schule?

Sprachen unterscheiden sich unter anderem darin, inwieweit sie einem lautgetreuen Aufbau folgen, d. h. ob die gleichen Laute auch durch die gleichen Buchstaben dargestellt werden. Im Hinblick darauf sind Spanisch, Italienisch und auch Latein „dankbare“ Sprachen, denn viele Wörter sind lautgetreu, d. h. sie werden so geschrieben wie gesprochen. Im Englischen und Französischen jedoch wird ein Laut häufig durch unterschiedliche Buchstaben(kombinationen) repräsentiert, z. B.: „to write“ (schreiben) und „right“ (richtig) oder „to laugh“ (lachen) und „love“ (Liebe).

Man kann sich leicht vorstellen, vor welcher Herausforderung LRS-Kinder stehen, wenn sie eine Fremdsprache wie Englisch lernen. Aus diesem Grunde beschränkt sich der schulische LRS-Erlass auch nicht nur auf das Fach Deutsch, sondern bezieht ausdrücklich die Fremdsprachen mit ein (s. weiter unten).

Auch die Praxis, dass Englisch häufig bereits ab der ersten Klasse gelehrt wird, kann für Kinder mit einer angeborenen Lese-Rechtschreibschwäche zum Problem werden: Wenn Laute in der Muttersprache noch nicht einwandfrei erkannt und differenziert werden oder die Laut-Buchstaben-Zuordnung nicht einwandfrei funktioniert, beschränken sich daraus resultierende Lese- und/oder Rechtschreibschwierigkeiten häufig nicht auf das Fach Deutsch, sondern zeigen sich auch im Englischen.

Dass in der heutigen Zeit der Erwerb mindestens einer Fremdsprache als Basiskompetenz einer möglichst erfolgreichen Schul- und Berufslaufbahn vorausgesetzt wird, steht außer Frage. Und so stehen die Kinder und mit ihnen die Eltern wieder vor der Frage, wie kann es mit dem Englischlernen funktionieren?

2. Wie kann man LRS-Kinder beim Fremdsprachenerwerb unterstützen?

Wenn bei einem Kind eine Lese-Rechtschreibschwäche diagnostiziert wurde, sollten möglichst frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um dem Kind das Fremdsprachenlernen zu erleichtern. Bezogen auf das Fach Englisch gibt es verschiedene Trainingskonzepte, die sich in der Praxis bewährt haben. So z. B. „The Easy Englisch Programme“ von Ursula Dorsch und Johannes Dreßler oder das Trainingskonzept „wordly“ von Prof. Dr. David Gerlach. Letzteres wird seit September 2018 in allen I.D.L.-Standorten für Kinder der Klassen 5 bis 8 angeboten.

Darüber hinaus gibt es Methoden, die für LRS-Kinder sehr gut geeignet sind, um eine neue Sprache zu erlernen. Die Zauberformel heißt hier „multisensorisch“.
Gerade weil die Ursachen einer LRS vielfältig  sind, bedarf es auch verschiedener Methoden, mit denen die unterschiedlichen Sinneskanäle angesprochen werden. Kinder, die Schwierigkeiten mit der lautlichen Verarbeitung haben lernen beispielsweise Vokabeln besser, wenn die Gegenstände zum Anfassen im Klassenraum (oder Zuhause) vorhanden sind. Wörter in Sand schreiben kann hier ebenso hilfreich sein wie eine gefühlsmäßige Verbindung zu dem Lernstoff herzustellen, z. B. durch Geschichten, die dem eigenen Erfahrungshorizont entspringen und im besten Fall, Neugierde wecken.

3. Gilt der Nachteilsausgleich auch im Fach Englisch?

Unter Punkt 4.1 im LRS-Erlass des Kultusministeriums NRW heißt es:

„Bei einer schriftlichen Arbeit oder Übung zur Bewertung der Rechtschreibleistung im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen kann die Lehrerin oder der Lehrer im Einzelfall eine andere Aufgabe stellen, mehr Zeit einräumen oder von der Benotung absehen und die Klassenarbeit mit einer Bemerkung versehen, die den Lernstand aufzeigt und zur Weiterarbeit ermutigt. In den Fremdsprachen können Vokabelkenntnisse durch mündliche Leistungsnachweise er¬bracht werden. Die Erziehungsberechtigten sind über den Leistungsstand ihres Kindes zu informieren. Die Rechtschreibleistungen werden nicht in die Beurteilung der schriftlichen Arbeiten und Übungen im Fach Deutsch oder in einem anderen Fach mit einbezogen.“

Somit kann die Frage mit „ja“ beantworten werden. Welche Möglichkeit des Nachteilsausgleichs gewählt wird, liegt in der pädagogischen Verantwortung der jeweiligen Lehrkraft. Suchen Sie daher im Sinne Ihres Kindes immer das konstruktive Gespräch.

Der LRS-Erlass regelt auch, dass die Erziehungsberechtigten regelmäßig über den Lernstand ihres Kindes informiert werden. Sollte das an Ihrer Schule nicht zur gelebten Praxis gehören, bitten Sie darum.

4. Weiterführende Informationen zu LRS und Englisch

Dieser Blogbeitrag sollte Ihnen einen ersten Einblick in das komplexe und spannende Thema LRS und den Erwerb einer Fremdsprache geben.
Weiterführende Informationen hierzu bietet u. a. der Bundesverband Legasthenie:

Englisch-Ratgeber für Eltern und Lehrkräfte vom Bundesverband zum Nachteilsausgleich, Notenschutz, Möglichkeiten und Hilfen im Englischunterricht und zu Hause.
Für 3,00 Euro zu bestellen unter:
www.bvl-legasthenie.de/shop-bvl/produkt/bvl-ratgeber-fremdsprachenerwerb-englisch.html

Es grüßt herzlich,

Ihre Jennifer Bubolz

 

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