Hausaufgaben ohne Stress – Wie Eltern und Kinder einen entspannten Umgang mit den Hausaufgaben entwickeln
Hausaufgaben sind in vielen Familien ein sehr stress- und emotionsgeladenes Thema. Sie ziehen sich selbst bei Grundschulkindern häufig bis weit in den Nachmittag hinein und die akzeptable Zeitgrenze wird dabei oft überschritten. Vielfach erfordern sie auch die direkte Anwesenheit der Eltern: sei es, um die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Aufgaben zu lenken oder um bei aufkommenden Fragen sofort anwesend zu sein. Und natürlich müssen Eltern vielfach zu Beginn auch erst den Wissensstand des Kindes an die zu erbringenden Aufgaben angleichen, weil das Kind den neuen Stoff in der Schule nicht verstanden hat. Aber auch wenn in jeder Familie der Kampf um Hausaufgaben ganz individuelle Facetten besitzt, ähneln sich viele der Probleme.
Zu den möglichen Ursachen von Problemen lesen Sie zunächst unseren Beitrag „Probleme mit den Hausaufgaben? – Welche Gründe dahinter stecken können“.
Wie Sie einen stressfreieren Umgang mit den Hausaufgaben erreichen
Die Rolle der Eltern bei den Hausaufgaben
„Was hast du auf?“ Diesen Satz hören Kinder oft bereits mit dem Heimkommen aus der Schule. Dass man seinen Kindern helfen will, ist verständlich. Doch sollten Eltern nicht mehr als nötig unterstützen. „Hilf mir, es selbst zu tun.“ – Dieser Satz der Pädagogin Maria Montessori gilt für die Hausaufgaben im besonderen Maß.
Bearbeiten die Eltern die Aufgaben für ihr Kind birgt das gleich mehrere Risiken:
- Dem Kind wird das Selbstvertrauen genommen.
- Das Kind lernt, sich auf andere zu verlassen anstatt auf sich selbst.
- Der Lehrer schätzt Wissen des Kindes falsch ein und verlangt beim nächsten Mal vielleicht noch mehr.
Trauen Sie daher Ihrem Kind so viel wie möglich zu. Wenn Ihr Kind inhaltliche Schwierigkeiten mit den Hausaufgaben hat, sind Sie als Eltern nicht dafür verantwortlich.
Erledigen Sie die Hausaufgaben für Ihr Kind oder begleiten Sie die Hausaufgaben ständig, wird Ihr Kind sich schnell an diesen „Service“ gewöhnen.
Kinder, die hingegen das Gefühl haben, selbständig mit den Hausaufgaben zurecht zu kommen, die bestärkt und motiviert werden, bekommen Spaß am häuslichen Lernen und erleben den Erfolg eigener Leistungen und Fähigkeiten. Ein zur Selbständigkeit ermutigter Schüler entwickelt dabei zunehmend Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit.
Wenn Ihr Kind dauerhaft mit den Hausaufgaben überfordert ist, suchen Sie unbedingt das Gespräch mit der Lehrkraft. Wie kommt ihr Kind im Unterricht zurecht? Welche Hilfestellungen gibt es? Welche Abklärungen wären ratsam?
Im Vorfeld der Hausaufgaben
Das Hausaufgabenheft
Wenn die Hausaufgaben am Ende der Stunde genannt werden, können viele Kinder sie nicht zuordnen, weil sie dem Unterricht nicht gefolgt oder mit ihren Gedanken schon in der Pause sind. Wenn das Kind außerdem auch feinmotorische Schwierigkeiten hat, ist sein Arbeitstempo deutlich langsamer als der Durchschnitt seiner Klasse. Das Übertragen ins Hausaufgabenheft schafft es dann nur teilweise. Oder die Hausaufgaben werden von der Lehrerin oder dem Lehrer an die Tafel notiert. Kinder mit Wahrnehmungsschwierigkeiten haben aber oft große Probleme beim Abschreiben, dies ist ihnen dann keine Hilfe, sondern eher eine zusätzliche Bürde. So können in dieser Situation mehrere Komponenten zusammen kommen, die das Kind benachteiligen.
Dennoch wird bereits ein Punkt deutlich: Das Führen eines Hausaufgaben-Heftes ist unerlässlich. Die Lehrerin oder der Lehrer kann kontrollieren, ob das Kind alle wichtigen Dinge vermerkt hat und Ihnen dient es dazu, relativ problemlos die Hausaufgaben zu überschauen. Viele Lehrer erklären sich auch bereit – zumindest eine Zeit lang – die Eintragungen ins Hausaufgabenheft zu vervollständigen. Dies kann das Kind sehr entlasten.
In keinem Fall sollten Sie oder Ihr Kind dauernd telefonieren und bei anderen Kindern nachfragen. Ihr Kind gewöhnt sich so daran, doch noch an die Aufgaben zu kommen und wird Ihnen vermutlich einen großen Teil der Verantwortung zuschieben, anstatt sie bereits in der Schule selbst zu übernehmen. Das Kind sollte lernen, selbst für die kompletten Aufgaben sorgen zu müssen. Besprechen Sie dies mit Ihrem Kind! Kritik bei fehlenden Aufgaben durch die Lehrerin oder den Lehrer wirkt oft mehr als Ermahnungen durch die Eltern, zur Not muss das Kind eben mal mit fehlenden Aufgaben in die Schule, um die Konsequenzen zu erleben.
Ein Tages-/Wochenplaner schafft Übersicht
Für Kinder kann es hilfreich sein, einen Tagesplaner zu haben, auf dem die Hausaufgabenzeiten bereits im Vorfeld für jeden Tag festgelegt sind. So können sie sich jeden Tag darauf einstellen und auch Sie müssen nicht täglich neu diskutieren, sondern können einfach auf die Vereinbarung zeigen. Schon aus diesem Grund ist es wichtig, die Zeiten gemeinsam mit Ihrem Kind festzulegen. Der Tagesplaner sollte also in jedem Fall den Anfang der Hausaufgaben markieren!
Besonders günstig ist, dass Sie hierbei lange oder kurze Schultage, Termine am Nachmittag usw. berücksichtigen können. Sie haben die Möglichkeit, Hausaufgabenzeiten ganz individuell festzulegen und Ihr Kind zu verpflichten, sie auch einzuhalten.
Doch wenn Sie einen solchen Tagesplaner anlegen, sind auch Sie gleichermaßen verpflichtet ihn einzuhalten! Kinder empfinden es zu Recht als sehr ungerecht, wenn Eltern sich selbst Ausnahmen zugestehen.
Wenn sich die Hausaufgaben bei Ihrem Kind jeden Tag endlos in die Länge ziehen, kann es unter Umständen günstig sein, in dem Tagesplaner auch die Endzeiten zu vermerken. Wenn dann die maximale Uhrzeit erreicht ist, werden die Aufgaben abgebrochen, egal wie viel noch zu machen ist. Wenn die vorgesehene Zeit durch Trödeln verstrichen ist, hat dies zur Folge, dass das Kind einmal ohne Hausaufgaben in die Schule muss. Sie geben dadurch Ihrem Kind die Verantwortung für seine Aufgaben und es muss auch die Konsequenzen in der Schule aushalten.
Abhilfe für Trödeln können im Übrigen auch ein Wecker oder eine Eieruhr bringen. Beides macht aber im Grund nur dann Sinn, wenn das Kind die Uhr (zumindest halbwegs) kennt oder ein Zeitgefühl besitzt. Vielen Kindern ist es dann aber ein ungeheurer Ansporn, die Aufgaben vor der Zeit zu erledigen. Wenn Sie das gemeinsam ausprobieren, stellen Sie aber vor allem in der Anfangsphase sicher, dass Ihr Kind eine angemessene Chance hat, sein Ziel zu erreichen! Ansonsten wird es nur zusätzlich frustriert. Und natürlich darf das Ticken der Uhr nicht wieder ablenkend sein.
Einen guten Arbeitsplatz schaffen
Ein gutes Arbeitsumfeld ist die Grundlage für konzentriertes und erfolgreiches Arbeiten. Kinder sind dabei noch viel stärker als wir Erwachsene auf Rituale und klare Regelungen angewiesen. So ist ein fester Arbeitsplatz für das Kind sinnvoll, in Maßen auch mit der Gelegenheit, diesen individuell zu gestalten.
Ruhe bei den Hausaufgaben ist dabei oberstes Gebot. Ein Kind, das regelmäßig von spielenden Geschwistern, einem klingelnden Telefon, dem Fernseher oder auch dem Staubsauger abgelenkt wird, wird im schlimmsten Fall auch eine unzureichende Konzentrationsfähigkeit entwickeln. Oft genügt dabei schon die Erwartungshaltung, dass sicher bald eine Störung eintreten wird, damit die Gedanken nicht mehr bei der Sache sind.
Zusätzlich sollten Sie darauf achten, dass am Arbeitsplatz gute Lichtverhältnisse herrschen. Auch frische Luft und eine angenehme Raumtemperatur sind wichtig. Außerdem empfiehlt es sich, vor dem Einstieg in die Hausaufgaben oder sogar als Startritual alle notwendigen Arbeitsmittel und -materialien zurechtzulegen.
Die Hausaufgabenzeit gestalten
Hausaufgaben zweckmäßig aufteilen
Bevor ein Automotor zur vollen Leistung aufläuft, benötigt er Starthilfen, die dann zurückgenommen werden, wenn er seine normale Leistung erreicht. Kinder mit „Startschwierigkeiten“ sollten bereits zu Beginn gestärkt werden. Eine in Aussicht gestellte „Belohnung“ am Ende ist für sie zu weit weg und selten ausreichend motivierend.
Ähnlich ergeht es häufig uns, wenn wir zu arbeiten beginnen und zunächst innere Widerstände überwinden müssen. In Kenntnis dieser psychischen Faktoren hilft auch bei der Erledigung der Hausaufgaben eine Aufwärmphase über die ersten Widerstände hinweg.
Zweckmäßig: zunächst solche Aufgaben zu erledigen, die man gerne tut und die deshalb zu weiterer Arbeit motivieren z.B. Fächer, die einem besonders liegen, für die man besonders leicht lernt und deren Erledigung ein erstes „Erfolgserlebnis“ schafft.
Grundsätzlich sollten am Anfang der Lernphase Inhalte stehen, die aus sich heraus spontanes Interesse und Lernbereitschaft herausfordern. Damit bekommt das Kind durch seine Erfolgserlebnisse die benötigte Motivation für seine weitere Arbeit.
Der warmgelaufene Motor überwindet nun auch Steigungen und schwieriges Gelände. In dieser zweiten Phase sind kompliziertere Stoffe zu erledigen, die Konzentration, Ausdauer und problemlösendes Verhalten verlangen (z.B. schriftliche Aufgaben, schwierige Rechnungen, Vokabel lernen, Übersetzungen)
Zum Abschluss: Wiederholungen, Lektüre, mündliche Vorbereitungen, Abheften und Aufarbeitung der Mitschriften, praktische Arbeiten in musischen Fächern u.a.
Insbesondere jüngere Schulkinder dürfen und sollten Eltern hierbei unterstützen.
Pausen beachten und Abwechslungen schaffen
Pausen sollten in der Hausaufgabenzeit vorher eingeplant werden.
10 – 30% der Arbeitszeit sollten in Pausen bestehen, denn sie können die Aufmerksamkeit erhöhen. Aber bitte nicht erst, wenn das Kind und Sie ;-) völlig erschöpft sind.
Eine Minipause kann einige Minuten dauern (ca. 5) und sollte bei Grundschülern alle 20 – 30 Minuten eingelegt werden. In dieser Zeit kann Ihr Kind kurz aufstehen, sich bewegen, herumlaufen oder z.B. Minitrampolin hüpfen.
Eine längere Verschnaufpause sollte spätestens nach 60 Minuten stattfinden. Auch hier gilt: Bewegung/ körperliche Betätigung, Entspannung.
Für jüngere Kinder sollte aber eher die Minipausen Regelung gelten, da es ihnen sonst zu schwer fällt, wieder den Anschluss zu finden.
Sehr oft wird der Fehler gemacht, dass in zu großen Zeiteinheiten/zu großen Lernportionen gelernt wird. Nur durch eine Pause kann das Kind wieder in die Lage versetzt werden, erneut und häufig dann noch einmal kürzer konzentriert zu lernen.
Es bringt im Übrigen nicht viel, die Pause am Schreibtisch mit einem Computerspiel zu verbringen.
Wer viel denkt, muss viel trinken: Das Gehirn wiegt nur 3% der Körpermasse, verbraucht aber ca. 30 % der im gesamten Körper umgesetzten Energie! Flüssigkeitsmangel ist beim Lernen zu vermeiden. Das Getränk der Wahl sollte im besten Fall Wasser sein und keine zuckerhaltige Limonade, die den Blutzuckerspiegel langfristig ungünstig beeinflusst.
Ähnlich wirksam wie Pausen ist nach lernpsychologischen Erkenntnissen die Abwechslung zwischen verschiedenen Stoffgebieten.
Man weiß, dass zwischen ähnlichen Stoffen, z.B. zwei Vokabelreihen „Ähnlichkeits-Hemmungen“ (Interferenzen) auftreten. Dies schließt man dadurch aus, dass man zwischen zwei ähnliche Aufgaben, z.B. Vokabel lernen für Englisch und Französisch z.B. Matheaufgaben erledigt. Abwechslung bringt auch, zwischen mündlichen und schriftlichen Aufgaben zu variieren.
Grundsätzliche Tipps für Eltern
• So wenig reden wie möglich, vor allem Ablenkungen und Unterbrechungen vermeiden.
• Nicht zwei Dinge gleichzeitig verlangen: Das Kind knobelt an einer schweren Mathe-aufgabe, Sie verlangen „Sitz gerade!“, „Kau nicht auf dem Stift herum!“
• Schreiben Sie nicht für das Kind und radieren oder verbessern Sie nicht in seinem Heft.
• Fehler nicht vorhalten „Da ist ja noch ein Fehler!!“ stattdessen fragen: „Fällt die hier et-was auf?’
Zusammenfassend lässt sich sagen: der Ton macht die Musik. Der Umgang, den Sie bei der Erledigung oder Durchsicht der Hausaufgaben mit Ihrem Kind pflegen, beeinflusst maßgeblich dessen Leistungs- und Lernverhalten.
Wir wünschen Ihnen daher einen entspannten und zuversichtlichen Ton, viel Spaß beim Ausprobieren und in Zukunft einen stressfreieren Umgang mit der täglichen Pflicht!
Ihr Team von I.D.L. (Oktober 2015)