Beitrag zur klinischen Leitlinie für Diagnostik und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung

 

Auch nach einigen Jahrzehnten intensiver Forschung und Auseinandersetzung mit dem Thema Lese-Rechtschreibstörung herrscht keine Einigkeit über die „richtige“ Definition, die „richtige“ Diagnostik und die „richtigen“ Fördermethoden. Für betroffene Eltern und Kinder ist es daher nicht leicht, sich hier ein verständliches und eindeutiges Bild zu schaffen, wenn der Verdacht LRS im Raum steht.

Aus dem Grunde hat die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung erarbeitet. Diese Leitlinien basieren auf einer umfassenden Metaanalyse verschiedenster Forschungsergebnisse.

In diesem Beitrag möchten wir Ihnen in kurzer Form die wichtigsten Aussagen dieser Leitlinie vorstellen und schon einmal vorwegnehmen, dass sich die Diagnostik und die Förderung bei I.D.L. schon seit Jahren (auch ganz ohne Leitlinie) genau an diesen Vorgaben orientiert.

 

Diagnostik von Lese-/Rechtschreibstörung

 

Zur Diagnostik einer Lese-Rechtschreibstörung gehört immer die ausführliche Erhebung der kindlichen, familiären und schulischen Entwicklung des Kindes. Zeigen sich hier Auffälligkeiten, die auf eine LRS hindeuten, sollten weitere normierte (= wissenschaftlich abgesicherte) Testverfahren zur Diagnose eingesetzt werden.

Weiterhin ist auszuschließen, dass die Schwierigkeiten auf Probleme beim Hören oder Sehen zurück zu führen sind. Ein Hör- und ein Sehtest beim Facharzt sollte also unbedingt durchgeführt werden.

Zur Diagnose einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung muss die Leistung des Kindes deutlich unter dem Niveau liegen, das entweder aufgrund der Altersnorm (z.B. alle Neunjährigen), der (schulformspezifischen) Klassennorm (z.B. alle Drittklässler) oder der Intelligenz zu erwarten ist. Erreicht das Kind einen Prozentrang unter oder gleich 15, ist von einer Lese-Rechtschreibstörung auszugehen. Ein Prozentrang von 15 meint hier, dass in einer Vergleichsgruppe von 100 Kindern mindestens 85 Kinder eine bessere Leistung erbringen als das getestete Kind.

I.D.L. verwendet Testverfahren, für die es (schulformspezifische) Klassennormen gibt.

Neben diesen Grundlagen der Diagnostik empfiehlt die deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine neurologische und internistische Untersuchung sowie eine Intelligenztestung.

 

Die Förderung bei Lese-/Rechtschreibstörung

 

Es gibt eine Vielzahl an Therapieoptionen bei diagnostizierter LRS, die aber nach Auswertung der durchgeführten Metaanalyse nicht alle gleich erfolgsversprechend sind.

Symptomspezifische Verfahren waren die einzigen, die zu einer nachgewiesenen Leistungsverbesserung führten. Diese Verfahren setzen direkt an der verminderten Lese-Rechtschreibleistung und deren Vorläuferfähigkeiten an.

Deutlich wurde auch, dass insbesondere bei Lesestörungen folgende Maßnahmen hilfreich sind: Texte sollten mindestens in Größe 14 abgebildet werden und die Buchstaben-, Wort- und Zeilenabstände sollten deutlich erhöht werden.

Für ursachenspezifische Verfahren konnte keinerlei positive Wirkung nachgewiesen werden. Also allein die Therapie einer auditiven oder visuellen Wahrnehmungsschwäche reicht nicht aus, um eine Verbesserung der Lese- Rechtschreibleistung zu erzielen.

Keine signifikante Verbesserung der Lese- Rechtschreibleistung konnte nachgewiesen werden bei alternativmedizinische Methoden (Homöopathie, Akupressur, Osteopathie und Kinesiologie), motorischen Übungen (z.B. bei ATNR), Prismenbrillen oder Irlen-Linsen.

 

Das Förderumfeld

 

Wichtig ist jedoch nicht allein die richtige Methode, sondern auch das Förderumfeld sollte stimmen. Wieder auf Grundlage der Auswertung wird die Empfehlung formuliert, die Förderung so früh als möglich zu beginnen, am besten in der 1. Klasse.

Einzel- und Kleingruppensettings sind großen Gruppen vorzuziehen. Die Gruppengröße sollte dabei fünf Kinder und Jugendliche nicht überschreiten. Es gibt keinen Nachweis, dass Einzeltraining dem Training in der Gruppe vorzuziehen ist. Allein das Vorliegen von Begleiterkrankungen, wie z.B. AD(H)S, und der Schweregrad sollte Berücksichtigung finden.

Auch die Profession der Therapeutinnen und Therapeuten spielt eine entscheidende Rolle. Trainierten Eltern oder Studenten die betroffenen Kinder, ergaben sich geringere Verbesserungen als wenn das Training von qualifizierten und erfahrenen Lerntherapeuten durchgeführt wurde.

Die Studien zeigten ebenfalls, dass eine mehrjährige Dauer des Lerntrainings mit einer höheren Erfolgsquote einhergeht. Es wird daher, soweit die Umstände es zulassen, eine mehrjährige Förderung empfohlen.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Zusammenfassung einen Überblick bei der Frage nach der passenden Diagnostik und Lerntherapie bei Lese- und Rechtschreibstörungen gegeben zu haben. Weitere Informationen finden Sie auch in unserem Blog. Die gesamte Leitlinie finden Sie hier: Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung bei LRS.

 

Es grüßt herzlich,

Ihre Jennifer Bubolz

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